Eines der am häufigsten diskutierten Krankheitsbilder im Kindes- und Jugenalter ist die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung, auch bekannt unter der Abkürzung ADHS. Liegt keine Hyperaktivität vor, spricht man von der Aufmerksamkeitsdefizit-Störung (ADS). Wissenschaftler gehen davon aus, dass rund fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland unter ADHS leiden, bei weiteren fünf Prozent liegen Hinweise auf eine ADS vor. Jungen sind neunmal häufiger betroffen als Mädchen.
BESCHWERDEN:Kinder, die unter ADHS leiden, entwickeln die Fähigkeit zur Selbststeuerung sehr viel schwerer als andere Kinder. Die Störungen treten vor allem in diesen Bereichen auf:
- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
- Ausgeprägter Bewegungsdrang (Hyperaktivität)
- Unüberlegtes, impulsives Handeln
- Säuglinge und Kleinkinder: Die Kinder sind unausgeglichen und werden als „Schreibabys“ beschrieben. Sie fallen z. B. durch Schlaf- und Essprobleme auf.
- Kindergarten- und Grundschulkinder: Das Kind ist immer „auf Achse“: Es rutscht auf dem Stuhl herum, steht einfach auf, wenn sitzen gefordert ist, oder klettert unkontrolliert über Tische und Stühle. Einem ADHS-Kind fehlt es an Ausdauer beim Erledigen von Schularbeiten. Es ist leicht ablenkbar und macht viele Flüchtigkeitsfehler. Die Kinder werden schnell wütend und schließen durch ihr jähzorniges Verhalten nur schwer Freundschaften. Auch gegenüber Erwachsenen ist das Verhalten trotzig und aggressiv.
- Jugendliche: Mit Beginn der Pubertät nehmen die Symptome der ADHS bei einem großen Teil der betroffenen Kinder ab. Vor allem die Hyperaktivität ist kaum noch auffällig. Einige Jugendliche leiden jedoch weiterhin an Impulsivität und Aufmerksamkeitsstörungen. Dies zeigt sich durch problematische Schulleistungen, aggressives Verhalten sowie Missachtung sozialer Normen und Gewaltätigkeit.
Unbehandelt wirkt sich ADHS negativ auf die Entwicklung des Kindes aus. Sein schulisches Fortkommen ist gefährdet, aber auch die Entwickling einer gesunden Psyche. Häufige Begleiterscheinungen von ADHS sind Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie) und/oder Rechenschwäche. Doch nicht nur die hyperaktiven, lauten Wilden haben Probleme auf ihrem Entwicklungsweg, sondern auch die ruhigen verträumten Kinder. Für dieses Verhalten wird der Fachbegriff ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Störung) genutzt. Denn die Erkrankung tritt ohne das Symptom der Hyperaktivität auf. Besonders bei Mädchen wird häufiger eine Aufmerksamkeitsdefizit-Störung (ADS) diagnostiziert.
URSACHEN: Die genaue Ursache der ADHS ist bisher nicht eindeutig geklärt. Forscher gehen davon aus, dass neurobiologische und psychosoziale Faktoren zusammen die Erkrankung auslösen. Die neurobiologischen Veränderungen betreffen vor allem den verminderten Botenstoff Dopamin im Gehirn, der für koordinierte Bewegungen, emotionale Steuerung und zielgerichtete Aufmerksamkeit veratwortlich ist. Bei ADHS ist zu wenig Dopamin vorhanden.
Mit großer Wahrscheinlichkeit sind Erbfaktoren am Auftreten der Krankheit beteiligt. Diskutiert wird auch, ob Nachrungsmittel das Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn auslösen und damit zu ADHS führen. Es hat sich gezeigt, dass unterschiedliche Nahrungsmittel bei 5-10 Prozent der ADHS-Kinder die Symptome verschlechtern. Auch die familiären und gesellschaftlichen Bedingungen, in denen die Kinder aufwachsen, haben einen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung.
WANN ZUM ARZT: Bei Verdacht auf ADHS sollte das Kind einem Arzt vorgestellt werden, möglichst einem auf ADHS spezialisierten Kinder- und Jugendarzt oder Kinder- und Jugendpsychiater. Erst nach sorgfältiger Diagnose wird dieser über die notwendige Therapie entscheiden, wozu nicht in jedem Fall Medikamente gehören. Für viele ADHS-Kinder sind sie jedoch eine große Hilfe, weil sie dadurch in die Lage versetzt werden, sich schulisch und sozial weitestgehend normal zu entwickeln.
BEHANDLUNG: Das „multimodale Behandlungskonzept“ umfasst psychotherapeutische und pädagogische Maßnahmen und bezieht Eltern, Angehörige sowie weitere Bezugspersonen sowie psychotherapeutische und pädagogische Maßnahmen mit ein. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit Kindergarten oder Schule sehr wichtig. ADHS-Kinder zeigen ganz unterschiedliche Symptome, Schweregrade und Begleitstörungen. Deshalb erstellt der Arzt einen individuellen Behandlungsplan.
In der medikamentösen Therapie werden vor allem die Wirkstoffe Mehtylphenidat und Atomoxetin eingesetzt. Beide Medikamente dürfen Kinder erst ab dem sechsten Lebensjahr einnehmen. Generell gilt: Erst wenn die Diagnose ADHS gesichert ist, sollten diese Medikamente eingenommen werden. Die Entscheidung über die Notwenigkeit einer medikamentösen Therapie trifft der behandelnde Arzt. Wichtig zu wissen: Nicht jedes Kind mit ADHS benötigt eine Behandlung mit Medikamenten.
Die Wirksamkeit von Diäten konnte in den meisten Studien nicht nachgewisen werden. Etwas 5-10 Prozent der Kinder profitieren von der sogenannten „oligo-antigenen Diät“ (siehe Kasten). Diese Ernährungsform ist jedoch sehr aufwendig und fordert von Kindern und Eltern viel Disziplin.
WAS SIE SONST NOCH TUN KÖNNEN:
- Kinder brauchen einen geordneten Tagesablauf: feste Zeiten für Mahlzeiten, Hausaufgaben und zum Spielen. Ganz wichtig ist die positive Rückmeldung und Anerkennung schon bei kleinen Erfolgen.
- Körperliche Aktivität ist bei ADHS besonders wichtig: Austoben, beispielsweise auf dem Fußballplatz, mindert innere Unruhe und Aggressionen. Außerdem trägt Sport (besonders Mannschaftssport) dazu bei, dass Kinder lernen, feste Regeln zu beachten und auf andere Rücksicht zu nehmen.
WEB-TIPP: adhs-deutschland.de
Quelle: Springer Medizin